Arbeiten mit Widerstand und Frustration

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Schon sehr lange bewege ich mich beruflich unter anderem auch im Feld der Arbeitsintegration. In diesem Rahmen begleite ich erwerblose Menschen in ihrem Bestreben sich eine neue Arbeitsstelle zu realisieren. Ich treffe auf viele verschiedene Persönlichkeiten, mit ganz unterschiedlichen Ressourcen, Möglichkeiten und Ausgangslagen. Kommen diese Personen als sogenannte Selbstzahler zu mir in eine Beratung oder ein Coaching, ist dies immer eine freiwillige Aktion. Für mich als Coach heisst das vor allem, dass die Motivationsarbeit für meine Kundinnen und Kunden wegfällt, sind sie doch von sich aus zu mir gekommen. Anders kann dies aussehen, wenn ich beispielsweise für eine AMM, eine sogenannte Arbeitsmarktliche Massnahme, arbeite. Hier kommen die Kundinnen und Kunden von einem Zuweiser, in der Regel ist dies die Regionale Arbeitsvermittlung, kurz RAV. Hier tut sich ein sehr spannendes Arbeitsfeld auf. Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass mitunter Teilnehmende (TN) nicht unbedingt ganz freiwillig an solchen Programmen teilnehmen. Im unglücklichsten Fall fühlen sie sich sogar zu einer solchen Massnahme gezwungen. Sie fühlen sich ausserdem bevormundet und zu etwas gedrängt, worin sie den Nutzen (noch) nicht sehen. Eine besondere Herausforderung für Sie als Kursleitende oder Coach. Ich werde immer wieder gefragt, was nun dazu beiträgt, trotz allem Widerstand einen guten und gelingenden Prozess/Begleitung zu initiieren?
Gerne berichte ich an dieser Stelle von meinen Erfahrungen. Nicht selten sind Teilnehmende, die eine AMM beginnen, frustriert. Stellen Sie sich vor, sie haben es aus eigener Kraft nicht geschafft, eine neue Stelle zu finden. Ständige Absagen und das permanente Ausbleiben von Vorstellungsgesprächen lässt verzweifeln. Sie hinterfragen ihren bisherigen Weg und bekommen das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Nach dem Motto schlimmer geht immer, waren sie allenfalls bereits schon vorher in anderen Angeboten, die aber, offensichtlich, ebenfalls nichts gebracht haben.

• Haben Sie hier auf jeden Fall ersteinmal Verständnis für diese Situation. Sie sind eventuell im ersten Moment eine weitere Person, die es besser weiss und vielleicht nochmals eine neue Version (oft bereits Version 7 oder 8) des Lebenslaufes anstrebt.

• Arbeiten Sie für den Moment mit dem Widerstand, dieser beinhaltet nämlich reichlich an Energie, die Sie zu einem späteren Zeitpunkt ins Positive umwandeln können.

• Was Ihnen als Coach, Kursleitende oder Beratende helfen wird, fragen Sie Ihre TN gerne nach ihren eigenen Sichtweisen. Fragen Sie, was Sie als allererstes brauchen oder was sie sich wünschen. Der Auftrag einer AMM schliesst solche Fragen nicht aus! Sie werden staunen wie sich die Beziehung zwischen ihnen verändern wird.

Ich habe schon oft gehört, dass ich seit Langem die erste Person bin, die fragt, was sie wollen, die Wünsche und vielleicht sogar Visionen selbstverständlich in den Prozess miteinbezieht. Es geht um Vertrauensaufbau, um eine Kommunikation und Begleitung auf Augenhöhe, ja und auch ums Ernstgenommen werden und Wertschätzung. Die Kundinnen und Kunden haben meistens eine Idee, wo der Schuh im Moment am meisten drückt. Als professionelle Fachperson sind Sie immer in der Lage zu einem späteren Zeitpunkt oder kontinuierlich Ihr Fachwissen und Ihre Expertise einzubringen und neue Möglichkeiten und Perspektiven zu präsentieren.

• Sie sind in Iher Rolle keine Lehrerinnen und Lehrer, also benehmen Sie sich auch nicht als solche.

• Halten Sie sich mit absoluten Aussagen zurück.
Der Bewerbungsprozess und die Erwartungen von potentiellen Arbeitgebern ist so individuell und vielfältig wie die Gestaltung des Lebenslaufes (Achtung: hier ist oft weniger definitv mehr).

• Trimmen Sie Ihre TN nicht zu «eierlegenenden Wollmilchsäuen» und stylen Sie auf keinen Fall alle Dossiers durch. Bleiben Sie an den Ressourcen, Möglichkeiten und kognitiven Fähigkeiten Ihrer Kundinnen und Kunden. Erlauben Sie den Kundinnen und Kunden Authentizität, denn das werden sie auch im Arbeitsalltag brauchen.
Es nützt den Bewerbenden nichts, wenn Sie ein «aufgeblasenes» Dossier haben, sie aber später gar nicht in der Lage sind all diese Stärken für eine Stelle umzusetzen. Bringen Sie also neben Authentizität auch Fokus und Persönlichkeit in die Bewerbungsunterlagen.

• Irgendwann ist auch die beste AMM einmal vorbei, stellen Sie sicher, dass Ihre Kundinnen und Kunden danach eigenständig arbeiten und Anpassungen und Bewerbungsprozesse selber ausführen können.

• Achten Sie darauf, dass die TN Ihre Inputs, Ihre Expertise und theoretisches Fachwissen möglichst einfach und erfolgsversprechend in die Praxis umsetzen können. Es gibt nichts nutzloseres als lange Vorträge und Theorie, wenn die Bewerbenden nicht wissen, was dies mit der Praxis und der eigenen Stellensuche zu tun hat.

• Wertschätzen sie auf jeden Fall bereits Geleistetes, so klein es in Ihren Augen auch manchmal sein mag. Sie werden bemerken, dass viele TN dies schon lange nicht mehr erfahren haben, im Gegenteil, mit einer Absage hören Sie ja ausschliesslich, dass sie nicht gut genug sind.

• Sehen Sie sich als Kursleitende, Coach oder Beraterin in der Verantwortung, das Potential, die Möglichkeiten, eigene Ressourcen und Lösungsvarianten zu aktivieren.

• Vermeiden Sie das Wort Zwangskontext!
Sie lesen es wahrscheinlich aus jedem Buchstaben, ich mag dieses Wort überhaupt nicht! Es ist nicht nötig mit diesem Unwort zu arbeiten. Es ist Ihre Aufgabe, den Nutzen und das Vorankommen in einer AMM sichtbar zu machen und die Bereitschaft zu erarbeiten, dass TN diese Chance für sich nutzen. Bleibt der Widerstand, das Misstrauen und der Unmut der TN, auch wenn Sie alles versucht haben? Dann bleibt der Widerstand, das Misstrauen und der Unmut! Hier gilt für Sie mit Ihren Vorgesetzten oder Zuweisern nach individuellen Lösungen zu suchen.

Gutes Gelingen!
Herzliche Grüsse
Ihre Coach

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